Liebe Grüße aus Warschau
Hi, mein Name ist Christoph Benkeser. Du bist bei Grundrauschen gelandet, einem Newsletter zu sogenannten Subkulturen in Österreich. Hier bespreche ich einmal im Monat, was in der österreichischen Musik noch passiert, außerdem gibt es Neuigkeiten und aktuelle Veröffentlichungen, die gut sind oder schlecht.
Heute im Newsletter: Grüße aus Polen, ein Interview mit der größten Gitarrenband Österreichs, ein paar Links und ein bisschen Musik.
Grundrauschen zum Tag
Ich bin ein paar Wochen in Polen, man nennt das heutzutage nicht mehr Urlaub, weil man ist ja erreichbar, da gibt es dann so einen inneren Druck und man macht die ganze Zeit irgendwelche Dinge, es ist wirklich Alltag unter erschwerten Bedingungen. Dafür esse ich viel Fleisch und auch sonst lauter gesunde Sache wie Zapiekanka, das ist so das Dr.Oetker-Baguette von Polen, aber viel besser und mit Ketchup.
Gestern war ich im Jasna Jeden, ein kleiner Club, direkt beim Kulturpalast in Warschau, dort hängen Plastikblumen an der Decke und jemand spielt Techno und man darf auch rauchen, ohne rauszugehen. Es ist generell ganz gut in die Clubs zu gehen, wenn man wo neu hinkommt, weil da merkt mann dann, wie eine Stadt so tickt. Und in den richtigen Clubs ticken die Leute ganz richtig. Deshalb fragt mich auf der Toilette gleich mal ein Deutscher nach Koks, aber sorry!
Ansonsten gibt es eine schöne Neuigkeit, die gar nicht so neu ist, aber trotzdem schön! Das Unsafe+Sounds Festival findet im September in Wien statt. Das heißt auch: Schon wieder ist man ein Jahr älter geworden. Na ja, dafür gibt es das sehr gute Line-up, das die lokalen Sachen aus Wien mit den internationalen und so weiter. Außerdem werde ich mit der Journalistin Ania Gleich eine Diskussion moderieren.
Dabei geht es dann um die freie Clubszene in Wien, »die häufig von Räumen abhängig ist, die von diskriminierenden bis missbräuchlichen Strukturen durchzogen sind und gleichzeitig den strikten Mechanismen der Profitmaximierung folgen.« So steht das klug im Programm. Und weil ich das mitgeschrieben habe, kopier ich es halt rein.
Weil August ist und Hundstage, nur noch kurz: Am Abend spielt es bei Grundrauschen auf Orange 94.0 den Live-Mitschnitt von Wirrbel. Das ist Wiener Mundart weitgereist, aber das sag nur ich so und man darf es auch anders nennen, jedenfalls sind die drei Frauen von Wirrbel großartig und deshalb sollte man das hören. Weiter unten gibt es wie immer noch ein paar geschriebene Worte zu Veröffentlichungen, so viele sind es gar nicht, die Leute liegen ja am Strand und da kann man das dann auch hören.
My Ugly Clementine im Interview
MY UGLY CLEMENTINE spielen jetzt Champions League. Die neue Platte der erfolgreichsten Gitarrenband Österreichs erscheint bei BMG, das ist die internationale Labelliga, da gehören SOPHIE LINDINGER, MIRA LU KOVACS und NASTASJA RONCK hin. Schließlich können 250.000 monatliche Spotify-Hörer:innen nicht ganz falsch liegen. Außerdem war da ja noch der Preis für Europas bestes Indie-Album des Jahres. Zwei, drei Jahre liegt der zurück. Jetzt kommt die neue Platte, „The Good Life” heißt sie. Was es für dieses gute Leben braucht, hat LINDINGER neben ein paar anderen Dingen im Call mit Christoph Benkeser besprochen.
Ist es ein besseres Leben, wenn man überlebensgroß am Times Square aufscheint?
Sophie Lindinger: Es ist schöner Moment in einer Karriere, aber das Leben ändert sich deswegen nicht.
Das muss doch ein gutes Gefühl sein!
Ja, sicher, es ist … cool.
Du sagst das so … cool.
Na ja, was soll ich sagen. Es ist eine Ehre. Wir haben uns gefreut. Trotzdem fühlt es sich nicht ganz echt an, weil wir nicht dort sind und es sehen, sondern nur die Bilder aus dem Internet kennen. Das ist so ungreifbar.
Wer spielt jetzt eigentlich Schlagzeug bei euch?
Eine Person, Günther Paulitsch, unterstützt uns live.
Der darf ruhig das Beiwagerl bleiben, oder?
Genau.
Magst du über die Sache mit Kolleritsch reden?
Nein, sorry, das ist ein triggerndes Thema.
Gut, dann reden wir über das Internet, du singst ja über deine obsession. Ist das so?
In dem Song geht es um die Bilder der anderen, das ständige Vergleichen, und den falschen Eindruck. Es geht aber auch um die Frage, warum man das tut und warum man sich dann komisch fühlt und mit Google irgendwelche Diagnosen herbeiführen will, weil man ja alles, was nicht passt, benennen muss. Aber gerade diese Selbstdiagnosen durch Selbsthilfevideos sind richtig schlecht, darin verliert man sich schnell und am schlimmsten ist es, wenn man andere Personen diagnostiziert, weil man mit deren Verhaltensweisen nicht klarkommt.
Das vollständige Interview ist auf mica erschienen.
Weiterdenken, weiterrauschen:
- Benjamin Stolz war bei der Wiener Demo zum Rammstein-Konzert
- Ania Gleich hat mit einer Gründerin der Frauenbewegung in Wien gesprochen
- Cornelia Dorfer applaudiert Barbie oder nicht
- Sylvia Wendrock unterbricht Christian Fennesz bei der Arbeit an seinem neuen Soloalbum
- Das Gap-Heftl ist 200 Ausgaben geworden
Grundrauschen kann man abonnieren, kostet ja nix
Was diesen Monat rauscht
Wiener Planquadrat – »Ein Weites Feld« (Iptamenos Discos)
Ein Jahr ist es her, seitdem ich das letzte Mal ins Planquadrat gebrettert bin, deshalb grüß Gott, Herr Kommissarin, wie geht’s dem Gemahlen, ja ja, alles wie immer, wunderbar. Jetzt aber weiter ins weite Feld!
Jürgen Vonbank – »The Blue Soul« (Night Defined Recordings)
Merke: Wenn Leftgefieldetes aus Salzburg kommt, hat Jürgen Vonbank was damit zu tun. Der Night Defined Recorder muss dafür nicht mal blau sein, es hilft aber, wenn er blau sieht – »The Blue Soul« setzt deshalb die Segel und schippert über blaue Körperkanäle. Vielleicht die beste Platte für den Spätsommer.
MSTEP – »Hodge Laplacians / Network Psychometrics« (Sounding Functions)
Die MartinStepaneksche Erörterung von Düdeldüdeldubstep geht weiter.
BYDL – »Untitled IV & V« (s/r)
Dann rauschte es lange, die Welt wurde dunkel. Und Gott sah, dass es gut war.
Marwan Abado – »Raushana« (s/r)
Auf Wikipedia steht, Otto Lechner und Elliott Sharp und noch ein paar andere wichtige Leute haben mit Marwan Abado gearbeitet. Das ist schön. Aber auch ziemlich uninteressant, weil der Palästinenser sich schon längst ein goldenes Ehrenzeichen von der Stadt oder dem Bund an seine Laute getackert hat.
Requiem – »Cycle Of Abuse« (MIAD Tapes)
Miad samma olle, aber das bissel Gegrunze haucht einem wieder Leben ein. Oder den Tod.
Wetter Etc. – »Umschwung«
Stimmungsmusik klingt nach den 60er Jahren. Da war das Wetter wenigstens noch gut und nicht das, was es jetzt ist, also meistens irgendwas, was es nicht sein sollte.
BRII – »Club Tools Vol. 3«
Kann man schon mal sagen, dass man den nicht gekannt hat, den BRII, aber natürlich muss man den kennen, der ist wichtig, er fliegt um die Welt und ist in den ganzen Clubs unterwegs und weil er dort Musik spielt, die den Leuten gefällt, hab ich den bisher nicht gekannt, also sag ich es jetzt auch.
Ferhëngnïs – »Evergreen Forest Sorcery« (Feral Sanctuary)
Da schreit jemand Satan, Satan und alle schauen weg. Bis dann doch ein paar zuhören. Aber da ist es schon zu spät – der Teufel kehrt heim!
Egraa – »Auf Augenhöhe mit Kokosnüssen«
Im August bin ich gar nicht da, da hab ich gute Laune und dann kann man sich ja vieles anhören, es ist alles toll und so höre ich dann Egraa und das klingt dann so, als hätte der Hurnsohn bei der Production gespart.
Jakob Maulwurf – »Spiel!«
Der kleine Maulwurf erlebt viele aufregende Abenteuer, die besten Freunde des kleinen Maulwurfs sind der Hase, der Igel und die Maus.
Gregory (AT) – »Rhythmic Reflections« (Analogique)
House ist House, dafür muss man in der Stimmung sein, manchmal passt es ganz hervorragend und dann könnte man zum Beispiel Gregory hören, der spielt Klavier und 303, die gleichen Akkorde wie vor 30 Jahren, so muss das sein, weil House ist House.
Bevor wir auseinandergehen …
Hier könnte ein schöner Hundewortwitz stehen, aber kein Bock mehr!
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