Der Opitz und die Huankinda
Hi, mein Name ist Christoph Benkeser. Du bist bei Grundrauschen gelandet, einem Newsletter zu sogenannten Subkulturen in Österreich. Hier schreibe ich einmal im Monat auf, was in der österreichischen Musik noch passiert, außerdem gibt es aktuelle Veröffentlichungen, die gut sind oder schlecht.
Heute im Newsletter: Architectural Digest aus den Euro-Studios! Interviews mit Hyeji Nam und Tian Fu. Außerdem: Wo die Musi spielt!
Grundrauschen zum Tag
Ich bin jetzt DRIN im Sommermärchen. Verfolge alles und überall. Polnisches TV, deutsches TV, österreichisches TV. Redet ja wirklich jeder drüber, das heißt: Männer reden drüber, weil die ja am meisten wissen vom Fußball – vor allem der Herbert, der geht gar nicht mehr nach Hause, weil beim Oaf ja immer wer was will von ihm, also: messergeschärfte Beobachtungen wie: »An und für sich war er ein paar Minuten tot.«
Man muss es mögen, das Getratsche, das man vorsichtshalber »Analyse« nennt oder »Vorberichterstattung«. Alles dauert immer lange, weil ja so viel passiert. Deshalb sitzen neben den anzugschuhetragenden LEGENDEN immer auch sneakertragende EXPERTEN. Die erklären dann vor großen Bildschirmen mit TOUCHBEDIENUNG, warum da jetzt bei England SAND IM GETRIEBE ist oder Slowenien den SACK ZUMACHT oder den Holländern EIN TOR GUTTUN WÜRDE.
Völlig unverständlich sind mir jene, die hier IN DIE OFFENSIVE GEHEN, also die BLUTGRÄTSCHE AUSPACKEN und dauernd sagen : »Nein, also Fußball interessiert mich wirklich gar nicht.« Weil, hallo, es geht hier nicht um Fußball, sondern ums GEMEINSAME REDEN. Und das geht besonders gut, wenn man Bier trinkt und ein Spiel 90 MINUTEN DAUERT und davor und danach jeweils fünf Stunden ANALYSIERT wird.
Da geht die Gedankenschranke für die ganzen Kunst-und-Kultur-Leute LEIDERGOTTES zu. Sie sind kategorisch immer gegen so was, tun es ab, lassen es LINKS LIEGEN. Weil sie glauben, dass man stundenlang Krach konsumieren muss, um dann irgendein politisches Statement drüberzukleben, das für circa zwölf Menschen mit Doktortitel ANSCHLUSSFÄHIG ist. Naja, kann man sich sicher sehr gut vorkommen, auf Instagrambücherecke neben Bourdieu und der sozialen Distinktion.
Mir ist das derweil so wurscht wie dem Prohaska sein Genitiv. Ich schau gerne Fußball, das heißt: anderen dabei zu, wie sie darüber reden. Es ist ein bisserl wie früher beim Musikantenstadl: eine eigene Welt, die für sich steht und glitzert und deshalb schön ist, weil man AUF AUGENHÖHE ist und die Leute UNTERHALTET, quasi den Bildungsauftrag erfüllt, in tollen Studios mit tollen Möbeln und so weiter.
Deshalb schielen wir hier ins INNERE: in die analytischen Machtzentralen der Fußballeuropameisterschaft DER MÄNNER, wie Biobauern gerne ergänzen. Jedenfalls, Architectural Digest aus den Öffentlichrechtlichen: die Eurostudios von ORF, ZDF und TVP in der kurzen Bestandsaufnahme.
Fangen wir mit dem Karneval von Rio an. Da diskutieren braungebrannte Erklärmänner gerne auf maximalem Farbkontrast. Allen voran: Moderatorenlegende Rainhald Pariaschreck und der Schneckerl, der schon seit circa 95 Jahren gar keine Schneckerl mehr hat, was aber egal ist. Beide furzen sich gegenseitig in den Zwischenschnitten an. Die anderen, die dauernd jemand anderes sind, finden das meistens »ungefähr genau richtig«, weil sie gern in der Küniglmatrix sitzenbleiben wollen. Bis sie dann rübergeschoben werden in die Oafkantine, wo die Gerti an der Kassa heimlich den Doppler ausschenkt.
Das deutsche Fernsehen setzt in der Fernsehgartenkollektion auf schlichtere, man muss es so sagen: geschmackvollere Töne – mit einem offenen, schwebenden, aber etwas ungemütlich aussehenden Sofa. Gibt einem sofort Sommer-Wetten-dass-Vibes auf Sylt, zum Erinnerungspurzelbaum fehlt eigentlich nur, dass Per Mertesacker jetzt gleich zum Flieger muss, aber: Der hat seine zwei Meter langen Beine längst im Fernsehfundament begraben. Alle bleiben also sitzen, auch die Frau, die natürlich Fritzi heißt. Und die engbehosten FDP-Versteher neben ihr, die von allen natürlich die weißesten Sneaker haben.
Polen ist prüde, da bleibt der oberste Hemdknopf zu vor 18 Uhr. Die Hälse sind aber sowieso konsequent abgeschnürt, weil, meine Herren: Mit dem Fußball ist es uns noch eine ERNSTE SACHE. Da kann es LIVE IM STADION angehende Klimachaostemperaturen haben, alle bleiben cool wie beim gemeinsamen Afterworkdrink. Außerdem hat TVP, das ÖFFENTLICHRECHTLICHE in Polen, in einen echten MC-Escher investiert, Arbeitstitel: Male Energy trittaufwärts, trittabwärts. Abzugsnoten gibt es lediglich für die faul reingeschobenen Barhocker, weil: Niemand weiß, wie man auf den Dingern sitzen soll, ohne so auszusehen, als würde man auf einer Kanonenkugel reiten.
Grundrauschen gibt’s gratis
Radio Gaga
Heute ist der dritte Dienstag im Monat, das heißt: Heute ist wieder Grundrauschen auf Radio Orange 94.0.
Hyeji Nam im Interview
Vor ihrem Namen macht das hochschulige Wörtchen interdisziplinär tatsächlich Sinn. Da tupft HYEJI NAM tupft Farben aufs Textgeröll, dort tapst sie nackert durchs Mumok. Zuletzt lässt sie den Computer plätschern oder keuchen, singt wie produziert („miracles” via Tender Matter). Dennoch: „Meistens glaube ich, es ist nicht genug, nicht gut genug”, sagt NAM. Und erzählt über ihre Kindheit in Seoul, ihre stille Jugend, über Unfälle und weite Wege, Kunstklassen, H&M-Sounds, Tabu-Bücher – ein bisheriges Leben. Zuerst aber …
Eine einfache Frage: Wie geht es dir?
Hyeji Nam: Ich hatte gerade erst ein Gespräch mit einer japanischen Firma, Neutone. Sie entwickeln das KI-Plug-in, das ich benutze, und haben mich unter anderem gefragt, wie ich zur Musik gekommen bin, aber das ist eine wirklich langweilige Geschichte, denn sie geht so: Meine Mutter hat Klavier gespielt und ...
Du findest das langweilig?
Hyeji Nam: Naja, ich bin in Seoul geboren und aufgewachsen. Es ist lange Zeit nichts passiert, und dann, als ich elf war, sind meine Familie und ich für anderthalb Jahre nach Neuseeland gezogen. An diese Zeit erinnere ich mich gut, weil sie für mich viel verändert hat. Plötzlich waren da ein Chor und ein Orchester in der Schule, manchmal kamen Kinder aus anderen Schulen bei Veranstaltungen zusammen – und alle drückten sich ständig kreativ aus. Das war eine intensive Erfahrung. Vorher war Musik für mich immer etwas Ernstes.
Wegen deiner Klaviermutter, richtig?
Hyeji Nam: Ja, sie war auch klassische Sängerin, also habe ich von klein auf viel ernste Musik gehört. Vielleicht war das der Grund, warum ich mich so lange von der Musik ferngehalten habe. Mein Zugang eröffnete sich erst, als ich merkte, dass ich experimentelle Musik machen kann, aber damals ...
Bist du erstmal von Neuseeland zurück nach Seoul gekommen, oder?
Hyeji Nam: Ja, das war wieder eine ganz andere Erfahrung, vor allem in der Schule. In Korea ist man als Schüler mit so viel Druck und Einschränkungen konfrontiert. Nach eineinhalb Jahren im Ausland konnte ich damit nicht mehr umgehen. Also habe ich aufgehört zu reden.
Ganzes Interview gibt es nur ausschließlich und exklusiv bei STRUMAIODINE und PARTNERN.
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Auch so eine Sache: Neue Musik. Muss man sich warmhören oder reinkommen, jedenfalls: einen Zugang finden zu Tönen, die Eingeweihte gerne mal mit wochenzeitungskritischer Miene verfolgen. Oder man macht es wie TIAN FU. Der Chinese in Salzburg baut Beats und komponiert Kunstmusik – nicht in Dr.-Jekyll-und-Mr-Hyde-Manier, sondern gleichzeitig: im selben Projekt. „The Story of Croche” (VÖ: 30. Mai 2024) ist Teil von TIANS Doktorat an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Und ein Album, das Neue Musik auch Leuten anbietet, die statt Zwölftontechnik lieber an den 16ern feilen.
Welche Erinnerungen hast du an deine Kindheit in China?
Es sind eher Gefühle, die sind aber schwer auszudrücken – ich weiß wirklich nicht, wie ich sie beschreiben soll.
Möchtest du darüber sprechen, wie du in China als Musiker angefangen hast?
Ich habe in China nur meinen Master gemacht, damals aber noch nicht als professioneller Künstler gearbeitet. Als Teenager habe ich zwar einige Platten aufgenommen, aber das war nur zufälliges Herumspielen mit Sounds. Woran ich mich sehr gut erinnere, ist jedenfalls das Organisieren von Veranstaltungen mit meinen Freunden.
In deiner Heimatstadt?
Ja, ich komme aus Hohhot, das ist eine kleine Stadt mit drei Millionen Einwohnern.
Klein.
Für China natürlich. Jedenfalls ging es um 2005 los. Ich war in der Highschool und habe mit Freunden angefangen, Hip-Hop-Beats zu produzieren. So etwas wie eine Szene gab es in meiner Heimat allerdings nicht. Wahrscheinlich gab es die nicht mal in China. Unsere Generation war nämlich die erste, die die Hip-Hop-Kultur akzeptiert hat, weil wir sie an unsere Sprache angepasst haben, das heißt: Wir haben nicht einfach eine Kultur kopiert, wir haben unsere eigene gegründet. Die allerersten Platten, die wir herausgebracht haben, waren auch ziemlich underground – wir haben unsere eigenen CDs gemacht und sie auf Konzerten verkauft. Und eine Menge Leute begannen sich dafür zu interessieren.
Ihr habt eine neue Kultur gemacht?
Ich denke schon, auch wenn die Adaption von Hip-Hop in China etwas früher, in den 1990er Jahren, begann – an verschiedenen Orten, vor allem in den großen Städten wie Peking oder Shanghai. In Hohhot war Hip-Hop allerdings vor uns niemandem bekannt.
Ganzes Interview gibt es bei der mica.
»Sehr geehrter Herr Berserker …
Mitreißend und kraftvoll soll der Song erinnern, dass mit Jesus, keine Herausforderung zu
groß ist.« (Promo-Email zu Astrid Pflaum – Brenna)
Was diesen Monat rauscht
Conny Frischauf – Kenne Keine Töne (Bureau B)
Früher war das mal gute Kindergartenmusik, jetzt ist es nur anstrengende Kunstmusik – fängt immer noch mit K an, aber Kacke ja auch.
nichtsmehr. – fühlen
Emo sein bei den Kühen auf der Wiese und denen dann Rilke zitieren oder weinen, wie man nur weinen kann, wenn man schon mal auf dem Land war im Sommer und bei Gewitter, Regen, dieser Geruch.
Kobermann live im flucc
Könnt ihr euch noch erinnern, als Kind: Nix war anstrengender als Fernsehen mit Antenne, bis man da mal ein BILD zammenbekommen hat, war die FERNSEHZEIT schon wieder vorbei. Jahre später hab ich Sans Soleil geschaut und alles verstanden, aber dann seh ich des Kobermanns knusprige Ausbeute und denk mir, einen Scheiß hab ich gecheckt.
Dos Brujos – Deru
Verstärker anstecken, Biertrinken, bissel spielen, wieder Biertrinken und schon wieder ist so eine Wüstenplanetenplatte fertig.
Anna Buchegger – Windschatten (Matches)
»Bekannt aus Starmania« ist ein super Eisbreaker, da weiß man gleich: Kennt sich aus mit dem Fernsehen und den Volltrotteln, weiß aber auch, wohin es gehen soll: auf die gut ausgeleuchtete Bühne nämlich und nicht in den Kellerscheissdreck, wo man Lodenhut und Frühschoppen und das gute Janatürlichleben sicher nicht versteht.
Sun People – Emotional Distortions (candy mountain)
Kurz was für die INSIDER: Steffi und Virginia sind Panoramabargottheiten, haben eine kleine Portugalresidence und machen auch ein Label, jedenfalls kommt da jetzt sehr gute Musik und zwar aus Graz, und zwar von Sun People, und zwar kennen wir den hier schon, jedenfalls: ein ordentliches Empfehlungsschreiben für Subwoofer.
Tamara Friebel – Sleep, beautiful sleep
Rumhängen und nix tun, nur zuhören, dem Klavier und der Friebel, die das ja hervorragend spielen kann – schon ist wieder ein halber Arbeitstag geschafft.
inifinite interior (eë editions)
Schickschocksounds auf Kunstklassenkassetten in Bioabafalleinschubern, da hängt einem der Magen wirklich zum Arsch raus.
Maxi Nagl – A Home Away From Home
Du bist in dem Alter, in dem du lieber beim Kindertisch sitzt als bei den blöden Erwachsenen und dort mal so ganz beiläufig die Frage in den Raum stellst, wie das eigentlich so ist WENN MAN JUNG IST HEUTE.
Forlorn – Heart Attack (Misericordia Records)
In Guantanamo grölen sie dazu insassenfeindliche Parolen.
leekroom – falt' mich zusammen sortier' mich ein
Scheiss auf die Düsseldorferdüsterboys, das könnte auch ganz gut werden und man kann sogar im schönen Wien bleiben.
Maeves – colors (Wilhelm show me the Major Label)
Kennt ihr schon den, die Pixies sind mal bei einem Pixies-Coverband-Contest angetreten und haben den dritten Platz belegt.
Spiritual Law – Promo 2024
Als Hi-Hat verwenden wir alle den mit Karabiner an unserem Hosenbund befestigten Schlüsselanhänger, yeah!
Candleface – One for Me
Hatten wir hier auch schon, so ein Schlingel spielt die 90er in Südlondon nach und das ist nicht kategorisch verkehrt, aber halt auch keine News.
Schuld Gottes (Nostalgic Dystopian Records)
Grundsätzlich sollten Sie Ohrenschmalz aus dem Gehörgang lieber nicht selbst entfernen, denn bei einer unfachmännischen Reinigung können schnell Reizungen oder Verletzungen entstehen.
Christina Ruf – Ablation (iapetus)
Ruf hat es eilig, schon wieder ein ALBUM, das kommt zwar wegen andauernder Arbeit immer öfter vor, bleibt aber jedes Mal BESONDERS.
Jeopardize (Compilation)
Ja, auch das muss eine Demokratie aushalten.
vlbsai – Amber Alert Cut
Aphex Twin, bist du’s?
Yunger – Good Day Bad Day
Wo ist eigentlich der Twitter-Tschürtzer, wenn man ihn braucht, um einen jungen, aufstrebenden Artist zu verballern?
Monochord – Double Happiness (palazzo)
Zwei von den drei ElektroGuzzis machen Musik, die klingt, als hätten zwei von den drei Elektroguzzis Musik gemacht.
Linus Miller (Wiener Elektronik)
Es dauert ganze vier STÜCKE, bis das erste Mal Vögel zwitschern, aber das ist ja auch kein normaler Fieldrecodingschwachsinn, sondern eine Platte, über die gescheidere Menschen irgendwann schreiben werden, dass man nicht weiß, wo man sie im PLATTENLADEN einordnen soll.
Bevor wir auseinandergehen …
Pepi, tua wassern!
Gʼstauchter bleib stehʼ!
Dir gefällt Grundrauschen? Rausch halt mit.