Das ist Lifestyle-Brand-Content!
Hi, mein Name ist Christoph Benkeser. Du bist bei Grundrauschen gelandet, einem Newsletter zu sogenannten Subkulturen in Österreich. Hier schreibe ich einmal im Monat auf, was in der österreichischen Musik noch passiert, außerdem gibt es aktuelle Veröffentlichungen, die gut sind oder schlecht.
Heute im Newsletter: Brand-Boutique-Blödsinn und Musikfestivals, Interviews mit Marcos Valle und Toxic Violin. Außerdem: Links zum Lesen, Musik zum Hören.
Grundrauschen zum Tag
Ich notiere diesen Satz: »Wir machen eine tolle Party, die Leute lieben es – jetzt wollen wir eine Marke drausmachen.« Ich unterstreiche ihn: sehr oft, weil ich ihn sehr oft höre. Von Menschen, die vorgeben, undergroundige Veranstaltungen zu veranstalten, aber heimlich Segelschuhe tragen und sich Ralph-Lauren-Pullis um den Hals knoten, um draufzukommen: Ich bin gar kein Veranstalter, ich bin ein Brand Developer!
Diese Menschen besitzen manchmal Clubs und meistens Geld. Jedenfalls aber Sprachschatzsynergien, die so weitreichend sind wie Bullshitbingo mit dem Businesspunk. Beispiel: Hennes Weiss, ehemaliger Pratersaunabesitzer, heutiger Pizzaverkäufer. Und ein cooler Typ, der früh draufgekommen ist, dass man den Leuten alles andrehen kann, wenn kreative Koksnasen kaufanreizende Kampagnen konzipieren.
Weiss hat es damit zum Sebastian Kurz der sogenannten Clubkultur geschafft – er veranstaltet Werbung, die nach einer tollen Party aussehen darf. Allen voran: das Lighthouse Festival, ein wandernder Hausmeisterstrand für Hautevoleehuankinder, die sich Bräunungsstreifen in Kroatien und Südafrika tätowieren. Oder in der Wortwahl von Weiss: ein »Boutique-Festival«.
Das ist natürlich ein schöner Blödsinn. Einer, über den ich mich ein bisschen lustig machen muss, bevor ich ins Kulturradio stammle. Was natürlich wurscht ist. Ich bin ja nicht die Zielgruppe, also: Mit taufrischen 32 zwar irgendwie schon, aber sorry, hab grad keine Kohle für sauteure Sauerteigpizza und sinnlose Signaturecocktails auf sexuellen Sofalandschaften.
Was mir an Managermenschen mit Agenturattitüde im Clubkontext gefällt: Sie denken an die Zukunft. Zwar seltener an die der Clubmusik – ist ja irgendwie auch schon egal, ob jetzt der mies dreinblickende Berghain-DJ den USB-Stick einstöpselt oder irgendwer, von dem man mal drei Videos auf TikTok gesehen hat, nein? Jedenfalls, aber: Managermenschen, Zukunftsgedanken: junge Leut!
Die verheiratet man etwas generalisierend mit einer »Generation«, weil »12 bis 19« so fragenbogenmäßig klingt. Trotzdem sollen natürlich alle einen Bezug zur Marke entwickeln, also Lifestyle und Awareness pushen, damit man als Clubbesitzer auch zukünftig alarmierende Sätze formulieren kann wie: »Meiner Meinung nach macht TikTok die elektronische Musikszene kaputt.«
Das mag unfair sein gegenüber all den tollen Brand-Developers, die sich als Veranstalter:innen verkleiden. Die haben immer nur die Zielgruppe im Kopf, die Kreativen und Innovativen und Effektiven, die sich mal wieder spüren müssen zwischen 172-Stunden-Job und Netflixabo. Wer trotzdem nur von Relaunches, Märkten und organic growth labert, vergisst dabei aber irgendwie, worum es bei dieser »elektronischen Musikszene« schon auch gehen darf: die Musik.
Die kommt bei Boutique-Festivals auch mal vor. Man schleppt die schöne Funktion One ja nicht nur aus dekorativen Zwecken auf den Dreitausender. Außerdem war da ja noch was – das Line-up! Das ist zwar nicht unbedingt exklusiv, dafür aber meistens geheim und jedenfalls: hochkarätig.
Tourende Jukeboxes tingeln deshalb von einem uniquen Spot zum nächsten und stöpseln sich an Orten ein, die man auch mit Thumbnails von Cercle-Sets verwechseln könnte. Was dort läuft, Hits, Hits, Hits, ja, egal – solange alle geil grinsen in ihrem schicken Festivallook von Zalando-ich-kauf-ja-nur-nachhaltig-Zara.
Mit dieser Goodvibisierung schafft man es dann endlich auch ins Wirtschaftsmagazin. Spätestens dort muss niemand mehr den Underground beschwören. Die einen fahren zur Selbsfindungsoptimierung in den Regenwald. Die anderen zur Erwachsenenbetreuung aufs Boutique-Festival. Überall wartet die Lifestyle-Experience. Nirgends die Realität.
Teile dieses Texts sind im GROOVE Magazin erschienen. Hier habe ich was im Radio gesagt.
Grundrauschen gibt’s gratis
Radio Gaga
Heute ist der dritte Dienstag im Monat, das heißt: Heute läuft wieder Grundrauschen auf Radio Orange 94.0.
Marcos Valle im Interview
Ja, meistens stehen hier nur bioösterreichische Gütesiegel-Interviews. Und darum geht’s ja auch. Manchmal mach ich aber eine Ausnahme – so wie heute, mit MARCOS VALLE . Der hat in über 60 Jahren SHOWGESCHÄFT einige der schönsten Schmonzetten geschrieben , die der Zuckerhut je hervorgebracht hat. Und war unter anderem Fruchtsaftinfluencer, bevor es dafür ein Wort gab.
Außerdem hat er circa dreihundert Platten veröffentlicht. Bald kommt die nächste. »Tunel Acustico« erscheint auf Far Out Records – jenem Label, das Valle in den späten Neunzigerjahren zuerst nach Europa und bald in die Clubs brachte. Seither hat er Deep House ausprobiert, mit Jazzmusikanten improvisiert und neben dem Bossa Nova auch gleich die Liebe gerettet.
»Nach all den Jahren wollen mich die Leute noch immer hören«, sagt Valle, bald 81 Jahre alt. »Und solange sie mich hören, geht es mir gut.« Angesichts immer neuer Tourtermine auf der ganzen Welt kann das nur bedeuten: Marcos Valle zuzuhören. Auf der Bühne. Oder im Gespräch über den Glauben und das gute Leben.
Glaubst du an Gott?
Marcos Valle: Ja, auch wenn ich erst mit zunehmendem Alter gelernt habe, an Gott zu glauben. Aber selbst in jüngeren Jahren war ich immer auf der Suche nach etwas, ich hatte diesen inneren Drang, etwas zu finden – bis ich realisierte, dass die Musik mein Beweis für Gott ist. Seitdem brauche ich nichts anderes. Heute spreche ich mit Gott wie mit einem Freund. Wenn ich auf die Bühne gehe, wenn ich sie verlasse. Er ist die ganze Zeit bei mir.
Worüber redet ihr?
Marcos Valle: Gott ist in mir, ich will ihn nicht als etwas ansehen, das außerhalb von mir existiert. Es ist also eher ein innerer Dialog, eine Reflexion über mich selbst.
War deine Familie religiös?
Marcos Valle: Meine Familie war katholisch, aber ich weiß nicht, wie sehr sie tatsächlich daran glaubten. Ich vermute, dass mein Vater gläubig war. Zumindest ging er jeden Sonntag in die Kirche. Als ich jünger war, musste ich auch auf eine katholische Schule. Aber ich habe diesen Teil von mir viele Jahre unbeachtet lassen. Später kam der Glaube auf verschiedene Weise wieder durch, zum Beispiel: Ich habe oft darüber nachgedacht, was nach dem Tod passiert.
Hast du eine Antwort gefunden?
Marcos Valle: Sagen wir mal so: Das Alter ist ein Vorteil, weil man über sein Leben und das, was hinter einem liegt, nachdenken kann. Und je mehr man erlebt, desto bescheidener wird man. Zumindest bei mir ist das so. Ich denke nicht, dass ich der Beste bin und sich alles um mich dreht. Ich drehe mich eher um das Leben. Sobald man das erkennt, hört man zu. Man will schließlich dazulernen.
Sogar mit fast 81 Jahren?
Marcos Valle: Auch wenn man älter ist, gibt es immer noch so viele Dinge zu lernen. Dafür muss man aber an etwas glauben. Und das Alter kann zum Glauben führen.
Das ganze Interview erscheint demnächst bei HHV Mag.
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Toxic Violin im Interview
TOXIC VIOLIN sind ROXANNE SZANKOVICH und SYLVIA DEIXLER, vor allem aber: ein feministisches Ausrufezeichen zwischen Geige und Bass. Das kommt aus Wien und knüpft an Woodstock an. Allerdings nicht mit gestrigen Gitarrengebärden, sondern mit echten Inhalten. Konnte man sich zuletzt beim Wiener Kultursommer geben. Und demnächst in neuer Formation: Die Band sucht nämlich eine Schlagzeugerin. Bewerbungen werden nach vollumfänglicher Kenntnisnahme dieses Interviews entgegengenommen, versichert SZANKOVICH. „Wir nehmen nur Frauen”, ergänzt DEIXLER.
Heute ist es nicht mehr besonders rebellisch, die Beatles zu hören, oder?
Roxanne Szankovich: Für mich war es das schon. Ich habe niemanden gekannt, der diese Musik gehört hat. Meine Eltern haben zu Hause Klassik gespielt. Ich wurde mit Fokus auf klassische Musik erzogen. Habe klassische Violine gelernt. War am Musikgymnasium. Die Klassik hat mich umgeben. Rockmusik war dagegen Auflehnung.
Woher kommt dieser Drang zur Auflehnung?
Roxanne Szankovich: Ich empfinde mich schon immer als politische Person. Deshalb integriere ich politisches Handeln in meinen Alltag, das heißt: Nicht nur hinzuschauen, sondern auch zu agieren, wenn etwas nicht passt. Für mich ist das in der Rockmusik der Fall. Flinta-Personen sind nach wie vor unterrepräsentiert. Also sage ich das auch.
Toxic Violin ist also Musik gegen die Ungerechtigkeit?
Roxanne Szankovich: Na ja, als Kind war Robin Hood mein Vorbild. Seither versuche ich, mich gegen Unrecht zu wehren. Denn Auflehnung ist eine Kraft, die man positiv verarbeiten – und auch vermitteln kann.
Sylvia Deixler: Robin Hood war für mich auch ein Hero. Dazu kamen dann die Beatles. Sie vermittelten eine fröhlich-freche Art, einen Easy-Way-of-Going, ohne unwirsch zu sein. Deswegen haben sie alte weiße Männerautoritäten an sich abprallen lassen können. Für mich war das wichtig: zu sehen, dass es auch etwas anderes gibt neben Zucht und Ordnung.
Roxanne Szankovich: Wir sind Unzucht und Unordnung.
Das ganze Interview bei der mica.
»Sehr geehrter Herr Berserker …
Somit steht das „K” in ANTON K ganz klar für „könnte vielseitiger nicht sein.« (Promo-Mail zu Anton K – Gap in My Soul)
Was diesen Monat rauscht
In der Buy-Music-Club-Übersicht (danke für den Hinweiser, Jakob!) und wie immer in vielen Tabs:
Kuato – Tulpa
Wah, fast wär es schön geworden, aber dann ist es doch nicht zu schön geworden.
Lisana – <3 thank you for everything
Ich buch dich wegen Instagram, aber meine Freundin darf nichts davon erfahren.
C.O.R.N! – Juna
Das Problem mit diesen Studierten ist, sie glauben, dass sie was gelernt haben, aber eigentlich wär es besser, wenn sie alles wieder vergessen und dann beim Hofer die zweite Kasse aufmachen.
flimmer – ephemeral
Weil wir grad da sind, was haben Doktorarbeiten mit Ambientalben gemeinsam, es ist ganz einfach, außer der Mama lügen euch alle an.
Monokay – More
Auf deinem Tshirt steht irgendein Name, ist Punk, also die Band, die kommt aus Kalifornien oder Baltimore, vielleicht aus Wien und alle trinken Gröbi Soda.
Gallowhead – Comfort in Discomfort
Mein geriatrisches Gehirn lässt mich vergessen, das ist gut, da muss ich mich nicht erinnern, und es ist schlecht, weil ich immer wieder so tun muss, als wüsste ich noch, wie du heißt. Stefan, oder?
Fechta – Mostviertel
Wenn der Paulplut seinen Zettelkasten verlöre, dann klänge das so und jetzt stell dir mal vor, er macht doch den Mund auf.
Mike Inzinger – Ice Age
Eine neue Technoplatte, hurra, eine neue Technoplatte!
Gerhard Heinz – Jump Balloon
Ich hab schon länger nicht mehr mit ihm geplaudert, aber bald ist er 98 und seine Apple-Aktien hat er sicher noch immer, wie viel die wohl wert sind.
Pfarre – Spoila
Ausgehen, drei Pillen futtern und dann wieder eine Woche rumheulen, wie scheiße alles ist, aber danke Krankenkassa.
max not – nights to unglue
Hundertpro ist der so einer, der plaudert dich drei Stunden zu über diesen tollen Gitarrensound bei den Redhotchillipeppers, aber eigentlich kennst du nur diesen einen Song.
Cay Taylan – Cay Taylan Remixes II
Vielleicht muss man nur mal ein Fax schreiben und zum Küniglberg raufschicken, dann gibt es wieder eine Staffel Starmania und als Signation nehmen wir was von ihm, es ist ja egal, mieft alles nach Taxiorange.
Pia Denz – Pia Denz
Man kann sich hier mit ronaldobreiten Freistoßbeinen hinstellen und dann Anlauf nehmen und durchziehen mit der Ansage: Das Ding landet jetzt im Kreuzeck.
Edition Hawara – The Other Sound of Music
Ja, schau, da muss man jetzt nicht lange rumtun, nehmt’s meine Marie und gebt’s mir das Marianderl!
Isaac Tumor – Post Bariloche (beatsupply)
Manchmal wär ich gerne cool, dann würde ich nur Hip-Hop hören und alle meine Freunde auch, wir wären eine coole Hip-Hop-Gruppe.
robot families – roBOtfamilies
Ich sag gleich: Besser wird es in diesem Monat nicht mehr. Und jetzt kann man nur hoffen, dass das nicht irgendein zwanzigjähriger Künstler hört und dazu eine Videoinstallation macht.
Heumond aus Mitteleuropa – Wiedergänger
Männer, die 13 Minuten brauchen für einen Rocksong, den sie aus der Bachelorarbeit von Andreas Spechtl geklaut haben, aber 1997 gab es ja noch keinen Plagiatsabfangjäger.
June Panic's Wife – Harm Mama Honey
Ehrliche Musik hört sich heute noch so an wie immer, nur schade, dass sich damit niemand mehr die Inzersdorferbatterie beim Frequencyfest aufwärmt.
space diary – Favorite Spaces
Auf einen schönen Akkord folgt meistens ein zweiter schöner Akkord und dann hat man eigentlich schon fast alles beinander für die schöne Musik.
Paul Ruben – Yahshua (Sarah Bart Records)
Alle rennen sie ins Konzerthaus, um dann bei Vernissageneröffnungen zu sagen, ich habe an der Schirmkappe von Nils Frahm gerochen, ganz toll. Dabei müsste man nur den Blödsinn vergessen und sich mal ins Burgenland trauen.
Sunny Denny – Birth In Birdsview (Tornquist)
Was ich an dem Album mag, es sind elf schöne Lieder.
Leber – Gladis
Finden Sie heraus, wie viel Gewicht Sie mit einer Anwendung von Slimvitax verlieren können durch unsere wissenschaftlich belegte Gewichtskontrolle.
Gardens – Flaws
Die Kinder spielen gerne Cowboy und Indianer, irgendwann sind sie erwachsen und dann erinnern sie sich daran.
Jakob Schauer – Fleischtape
Man kann schon sehr cool sein, wenn man will.
RinniR – Jagdhunde zerrissen die Sonne
Oder man kann einfach was machen, wo ich mich hinleg an einem Nachmittag und dann ein paar Lieder lang vergesse auf die Arbeit oder alles.
Bevor wir auseinandergehen …
Dir gefällt Grundrauschen? Rausch halt mit.