Das gehört doch eigentlich ins Museum
Hi, mein Name ist Christoph Benkeser. Du bist bei Grundrauschen gelandet, einem Newsletter zu sogenannten Subkulturen in Österreich. Hier schreibe ich einmal im Monat auf, was in der österreichischen Musik noch passiert, außerdem gibt es aktuelle Veröffentlichungen, die gut sind oder schlecht.
Heute im Newsletter: Fm4 ins Museum, Daniel Lercher im Porträt und Halbwahrheiten über Neuveröffentlichungen
Grundrauschen zum Tag
Ich kann mich noch so halb erinnern. Sommer, Poolbar, das Konzert von diesem Kabinenpartyrapper, den damals alle gutfinden mussten, und ich also auch gutfand und vor der Bühne stand und miterlebte, wie da besagte Kabinenparty torkelig und verhaltensauffällig und jedenfalls eine Show abliefernd auf die sehr gute Idee kam, einen Fm4-bestickerten Eiskübel ins Publikum zu fußballern, wo ja ich stand und ich, im Mischkonsummomentum meines jugendlichen Leichtsinns, diesen Kübel fing und warf und traf. Nicht die Bühne, sondern leicht drüber, den Kopf der Kabinenparty. Scratch. Zwei Mittelfinger, fickts euch, tschau.
Das ist wohl 15 Jahre her und im schlechtesten Fall verjährt. Für mich war das jedenfalls der letzte, sagen wir mal, Berührungspunkt mit Fm4. Ich meine, danach ließ ich mir noch viele Poster zuschicken, mit Kreisky drauf und anderen furchtbaren Bands, die auf FM4 liefen und dann in meinem pubertären Zimmer rumhingen, weil das ja immer eine identitätsgestörte Phase ist, diese Zeit. Aber die zählt dann doch eigentlich nie.
Später, in der WG-Küche lief Fm4, weil das damals halt lief, in verrauchten WG-Küchen, wo man rumsaß, mit eng an die Brust gezogenen Beinen und Tee trank oder Rotwein und bedeutungsgeschwängerten Unsinn sagte. So lernte ich das eigentliche FM4-Programm kennen. Das Programm, das keine verhaltensauffälligen Formatradiomoderatoren moderierten. Sondern das sogenannte Randspartenprogramm, das irgendwann lief, spätnachts jedenfalls, und das Leute moderierten, die wirkliche, ehrliche Musik mochten und die dann auch noch spielen konnten.
Da zog mich an, da wollte ich hin. Und dann saß ich da, ein Jüngling im Funkhaus, mit 20 oder 30 anderen, die alle Club Mate tranken, um halbneun in der Früh und so aussahen, als könnte man mit ihnen überhaupt keinen Spaß haben. Wir traten an, bei Tests, bei dem wir alle Beneluxländer aufschreiben sollten und so weiter. Zur Mittagspause verschwand die Hälfte. Wir blieben und sollten unsere Ideen PITCHEN an die Recruitermenschen. Jeder für sich, einzeln. Und als ich dran war, sagte ich: Ich will zum Sumpf, ich will da so schräge Musik spielen wie der Ostermayer und aus wilden Büchern lesen, das ist doch Fm4, oder. Da schaute mich der Recruitertyp an und meinte, schau, da vorhin, die Blonde, die hat gesagt, die will einfach nur die Arctic Monkeys interviewen und du kommst jetzt mit so einem Blödsinn daher, das geht doch nicht.
Heute ist Fm4 30. Und wie das so ist bei runden Jubiläen, jeder, der damals dabei war oder zumindest alt genug ist, dabei gewesen zu sein hätte können (äh), darf mal was erzählen, von früher, wie das so war. GANZ AM ANFANG. Diese AUFBRUCHSSTIMMUNG. Ganz was NEUES. So wichtig, aber auch: WIE NAIV wir doch waren, richtiggehende DILETTANTEN, hach.
Das stimmt bestimmt alles. FM4 war Indianermusik, wie meine Tante mal meinte. Daran muss ich oft denken. Dass das sicher keine Indianermusik mehr ist. Also wild, da ist nix mehr wild. Weil da ja schon des längeren versteinerte Fossile rumhängen in der Redaktion, die ihre Jugend in die Pension retten wollen. Und so spielt es Musik von den größten Fehlern der plastischen Chirurgie oder irgendwelche wohlstandsverschrotteten Gitarrenbands, die es nur gibt, weil es Fm4 gibt. Die Avocadobrotfraktion darf sich die Nachrichten auf Mandarin anhören. Und wer in der Früh nicht schon schlecht drauf ist, ist jetzt zumindest daheim, baby.
Sei ja durchaus wichtig für den MARKT, sagen die, die davon ihren Zweitwohnort finanzieren, die Betriebswirtschaftsbetreiber von Gähnlabels, die es gerne haben, wenn es heißt, Österreich first, weil: Unser Programm muss ja bitteschön den Linzer Lehrling genauso abholen wie die gerade nach Wien gezogene Journalismusstudentin. Das könnte zwar auch, na ja, Radio Stephansdom oder das irdische Privatradio, ach herrje, sogar die FREIEN Radios erledigen. Aber das wollen die mittlerweile kinderherumschiebenden Halbglatzenträumer in ihren verwaschenen Indiebandshirts ja eher nicht hören.
Eigentlich gehört Fm4 ins Museum. Bitte nicht berühren. Da können sich dann Schulklassen vor den Schaukästen aufreihen und Referate halten und der Pädagoge erzählt hinter, wie das so war, damals. Weil alles vorbeigeht. Und ich ja auch keine Eiskübel mehr auf Rappeköpfe schmeiße und das hat sich als gangbare Lebenslösung erwiesen bislang.
Grundrauschen gibt’s gratis
Radio Gaga
Heute ist der dritte Dienstag im Monat, das heißt: Heute läuft wieder Grundrauschen auf Radio Orange 94.0.
Daniel Lercher im Porträt
Daniel Lercher war schon lange nicht mehr im Weidinger. Vor ein paar Jahren, erzählt der Musiker, sei er einmal im Keller gewesen, zum Kegeln. Aber seither – „hat sich hier nicht viel getan, oder?“ Wir trinken den ersten Kaffee mit Zucker, draußen rauscht der Gürtel vorbei. Lercher, der 2025 das Kompositionsstipendium der Stadt Wien erhält und demnächst beim impuls Festival in Graz auftritt, spricht leise. Dann wenig. Er beugt sich über den Tisch, sagt: „Na ja.“
Das Weidinger ist ein guter Ort für stille Gespräche. Man unterhält sich oder man schaut zu, wie andere sich unterhalten und wie alles vorbeizieht. Die Zeit, Gedanken, ein Leben. Sitzt man Lercher gegenüber und schweigt ein paar Sekunden mit ihm, ahnt man – er ist einer, der das gerne tut und oft: zuschauen, zuhören. Um dann alles zusammenzusetzen. Im Computer oder mit den Kopfhörern, jedenfalls so, dass man etwas hört, das irgendwo mal war.
Daniel Lercher mag Geräusche, meistens nimmt er sie auf. Manche sagen „Klangkunst“ dazu, weil das sehr toll klingt. Andere tauschen Doktortitel gegen internationalen Anspruch und meinen „Field Recordings“ zu erlauschen. Die wirkliche Tatsache ist: Da läuft jemand mit einem sündhaft teuren Mikrofon in der Welt herum, dieser Jemand heißt Lercher und jetzt, in diesem Moment, sagt er: „Wenn etwas akustisch Spannendes passiert, nehme ich das auf.“
Dieser Schaffungsprozess, „die Komposition“, wie Lercher sagt, lässt sich in unterschiedlichen Abstufungen des intellektuellen Wagemuts erörtern. Man darf joviale Worte verwenden und immer wieder „Elektroakustik, elektroakustisch“ sagen, bis alle gegangen sind. Oder man orientiert sich an den ehrlichen und passendsten Tunwortbeschreibungen aus der Regenbogengruppe: Es quietscht, es knarrt, es zwitschert und so weiter.
Manch Mieselsüchtiger mag meinen, dass man dafür ja nur das Handy aus dem Fenster hängen müsse – schon nimmt die ganze Welt sich auf, ganz von allein. Und das, nun Kunst, dieser Krach? „Na ja“, sagt Lercher wieder. Ein bisserl würde das schon stimmen, doch. Aber eben, weil alle immer alles aufnehmen können, ja sogar bildende Künstler plötzlich ihr iPhone als Soundquelle verstanden wissen wollen, ja dann, so Lercher, entstehe auch viel … „Uninteressantes“.
Das ganze Porträt findest du drüben bei der mica.
Weiterlesen, weiterdenken
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»Sehr geehrter Herr Berserker …
Der Auftakt des Songs lässt bereits keine Fragen offen. Es rockt satt. Gitarren, Drums und dazu Astrids Stimme, mit all ihrer Kraft. (Promomail von Astrid Wirtenberger)
Was diesen Monat rauscht
o-m-ae – Wintermärchen
Es ist so circa wie dieses Flötenalbum vom Outkasttypen, aber halt mit kirschenverwässertem Käsefonduegeschmack.
UH! Batman and the mighty anithoeres – Punk's not dead, Punk is BAT!
Damals, am Skateplatz, in der falschen Ecke, hättest du für so was ordentlich aufs Maul bekommen. Heute firmiert das gemeinhin unter Midlifecrisis.
Johannes D'Amico – Error//Orbit
Eine hat mir mal erzählt, sie war bei einer Therapeutin, die hat mir ihr eine Meditation angeleitet und ist dabei selber eingeschlafen, nach ein paar Minuten, und nicht mehr aufgewacht.
Planlosar – Head Empty (feat. Dnny Death aka Patty Pitstank)
Ja, darum geht es, zwei Akkorde, vielleicht zweieinhalb. Scheiß drauf, ehrlich, fickts euch alle.
Hühnengrab – The Immanent Curse
Ich lese immer Hühnergrab, aber das macht ja dann schon gar keinen Sinn, oder.
Sadie Spiegel – One Flushed Cheek (B-Sides)
We will Rock you war auch mal eine B-Seite, die Beatles hatten viele B-Seiten, die besten B-Seiten sind die, wo man sagen kann, die B-Seite war viel besser.
NI – swarm
Auf der Uni hast du gelernt, dass du anders sein darfst, wenn du dich besser fühlst. Jetzt machst du halt das.
bardo todol y sus aves sin nido – the elektronical path (eë editions)
Die Außerirdischen sind gelandet. Und weil Google Translate nicht geht, spielen wir ihnen das vor. Dann wissen wir sicher, ob es gut ist oder nicht.
content.creator – Unio Mystica
Heute wollen alle aufs Donaufestival, hab ich das Gefühl.
Augenfeld & The Machine Elves – The Night Is Mine | Part One
Es ist sehr gut, wenn man es nicht zu ernst nimmt, was man nicht tun sollte, das Leben und alles.
Sundl – Four (Wilhelm show me the Major Label)
Postpunk ist wie Neuburger, man soll niemals Leberkäse dazu sagen.
Bevor wir auseinandergehen …
Bilderbuch, 2025.